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Dynamisches
Zuggurtungsprinzip bei der Sichelfußbehandlung
Becker,
N.L.*; Obens, T.#
*Dr. med, Orthopädische Praxisgemeinschaft Dr. Becker,
Dr. Lingg Tübingen
#Dipl.Phys. Dr. rer.soz. Privates Institut für angewandte Biomechanik,
Tübingen
Wilhelmstraße 134, 72074 Tübingen, beckern@tue.netsurf.de
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PROBLEMSTELLUNG:
Allen Sichelfußformen gemeinsam ist die Vorfußadduktion.
Die Nachteile einer Behandlung mittels Gips und/oder Schiene und
Schuh liegen darin, daß der Taluskopf nicht erfaßt,
der Vorfuß in sich zusammengedrückt und der Fuß
passiv umgelenkt wird. Außerdem besteht hierbei die Gefahr,
aus der Problemzone der Fußwurzel einen Knick-Plattfuß
entstehen zu lassen.
BEHANDLUNGSSTRATEGIE
Ziel des Dynamischen Zuggurtungsprinzipes ist es, positive Elemente
der funktionellen Therapie in die Sichelfußbehandlung einzubeziehen.
Nur die pathologische Stellung der Mittelfuß- und Fußwurzelknochen
soll korrigiert und der Vorfuß entfächert werden. Physiologische
Fußstellungen sollen freibleiben. Das Prinzip soll leicht
anwendbar und reproduzierbar sein.
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METHODE
Das Dynamische Zuggurtungsprinzip beinhaltet zwei Zuggurtungen.
Die erste Zuggurtung stabilisiert den Rückfuß sowie die
Fußwurzel und hält den Taluskopf; sie bildet eine stabile
Basis für die folgende zweite Zuggurtung, mit der über
ein Hypomochleon der Vorfuß entfächert und die Sichelfußstellung
korrigiert wird.
Das Prinzip kann sowohl bei Säuglingen wie auch bei lauffähigen
Kleinkindern angewendet werden. Bei diesen führt der propriorezeptive
Reiz am Unterschenkel beim Stehen und Gehen zusätzlich zu einer
aktiven Fußwurzelaufrichtung.
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Abb. 1:
Die erste Zuggurtung erfaßt die Fußwurzel:
Die Medialisierung des Taluskopfes wird aufgefangen durch einen
Zügel, der die Fußwurzel von lateral unter der Fußsohle
erfaßt, medial den Taluskopf abfängt, anhebt und diesen
auf die Gelenkfläche des Naviculare zieht. Diese Zuggurtung
verläuft weiterhin spiralisch hoch zur Mitte der Unterschenkelaußenseite.
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ERGEBNISSE
Zwischen 1992 und Januar 1998 waren in der Orthopädischen
Praxisgemeinschaft Dr. Becker/ Dr. Lingg 1432 Säuglinge und
Kleinkinder bis zum 18. Lebensmonat mit orthopädischen Fragestellungen
vorstellig. 162 mal wurden die Diagnosen "Sichelfuß"
oder "Sichelfußhaltung" gestellt. Davon wurden 32
Kinder mit 58 Füssen mit der Dynamischen Zuggurtung therapiert.
Für die Erfolgskontrolle wurden die Kinder in zwei Gruppen
eingeteilt:
1. Gruppe: Säuglinge bis zum 7. Lebensmonat (Anzahl: 24),
2. Gruppe: Säuglinge und Kleinkinder vom 8. bis zum 18. Lebensmonat;
alle Kinder dieser Gruppe konnten stehen bzw. laufen (Anzahl: 8).
Kein Kind war vorbehandelt.
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Druckverteilung und Abrollverhalten ohne Zuggurtung
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Druckverteilung und Abrollverhalten mit Zuggurtung
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Gruppe
1 |
Gruppe
2 |
Behandlungsbeginn
im Alter von |
1,8 Monate |
14,3 Monate |
Behandlungsdauer |
2,0 Monate |
3,5 Monate |
Behandlungsergebnis
sehr
gut
gut
befriedigend
unbefriedigend |
21 = 87,5 %
3 = 12,5 %
0
0 |
0
4 = 50 %
2 = 25 %
2 = 25 % |
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Vor Behandlung
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Nach Behandlung
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DISKUSSION
Das dynamische Zuggurtungsprinzip in der Sichelfußbehandlung
ist ein hervorragendes Therapiekonzept für den behandlungsbedürftigen
Säuglings- und Kleinkinder-Sichelfuß. Je früher
man mit dieser einfachen aber effektvollen und nicht belastenden
Therapie beginnt, um so besser werden die Ergebnisse.
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RESÜMEE
Die Ergebnisse der Sichelfußbehandlung mit dem Dynamischen
Zuggurtungsprinzip belegen, daß funktionelle Überlegungen
bei der Behandlung von angeborenen orthopädischen Störungen
viel früher einsetzen sollten, um einige orthopädische
Erkrankungen, inbesonderem des Säuglings und des Kleinkindes
einfach, effektvoll und biomechanisch sinnvoll zu behandeln.
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ZUSAMMENFASSUNG
Das dynamische Zuggurtungssystem für die Therape des Säuglings-
und Kleinkinder-Sichelfuß wird durch einen Klebeverband realisiert,
welcher die Fußwurzel erfaßt, den Taluskopf reponiert,
die Knickfußkomponente verhindert und den Vorfuß auffächert.
Dieser Verband läßt die Zehen beweglich und macht das
ganze Fußgefüge trainierbar und gymnastisch reizbar.
Gegenüber Gips- und Schienenbehandlungen erleichtert er die
Pflege der kleinen Patienten erheblich.
Bei den Säuglingen (bis 7. Lebensmonat) wurden mit der Dynamischen
Zuggurtung 85% sehr gute und 12,5% gute Ergebnisse erreicht.
Bei den älteren Kleinkindern (bis zum 17. Lebensmonat) konnten
noch 75% gute und befriedigende Ergebnisse erzielt werden.
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